Last Updated on Mai 3, 2025 S F
„Du kannst dir alles erarbeiten“
Ex-Profi Patrick Baur im Gespräch mit Tennisunternehmer Marc Raffel – im Meerbuscher TeReMeer – u.a. über die Bedeutung einer sauberen Technik
Das deutsche Spitzentennis ist international kaum noch konkurrenzfähig. Große ATP- und WTA-Turniere finden zunehmend ohne deutsche Beteiligung statt – abgesehen von Alexander Zverev. Es scheint an strategischem Denken, Mut und dem Willen zur Veränderung zu fehlen – obwohl es viele Fachleute mit enormer Kompetenz und Expertise gibt. Warum werden diese nicht gehört? Warum fließt ihr Wissen nicht in die Weiterentwicklung ein?
Einer dieser Fachleute ist Patrick Baur, ehemalige Nr. 74 der ATP-Weltrangliste und mehrfacher Deutscher Meister. Er lebt und arbeitet im Raum Düsseldorf, unter anderem bei der TG Lörick und im Meerbuscher TeReMeer. Im April hatten wir die Gelegenheit, mit ihm ein interessantes Fachgespräch zu führen.
Du kannst auf eine lange, erfolgreiche Tenniskarriere zurückblicken.
Woran erinnerst du dich am liebsten?
Da wäre natürlich zuerst mein erster Sieg beim 50.000-Dollar-Challenger-Turnier auf Martinique. Und dann mein erster ATP-Doppeltitel in Båstad 1988. Das war auch ein bisschen Glück – ich hatte eigentlich gar nicht vor, dort Doppel zu spielen. Als dann der Partner von Udo Riglewski ausfiel, bin ich eingesprungen. Wir haben uns von Match zu Match gesteigert, Skoff/Muster geschlagen und im Finale gegen Edberg/Kroon gewonnen. Edberg hatte gerade eine Woche zuvor Boris Becker im Wimbledon-Finale besiegt – das war schon etwas Besonderes.
1991 gewann ich meinen ersten ATP-Einzeltitel in Guarujá, Brasilien. Die Bedingungen dort waren extrem – hohe Hitze und Luftfeuchtigkeit. In der zweiten Runde habe ich einen Matchball abgewehrt, das Halbfinale wurde wegen Regens auf den nächsten Tag verschoben. Das sind Dinge, die man einfach annehmen muss. Ich werde dieses Turnier nie vergessen!
Meine letzte Grand-Slam-Teilnahme war bei den US Open. Ich hatte mich durch die Qualifikation gekämpft und musste in der ersten Runde gegen Jaime Oncins aus Brasilien ran. Er führte bereits mit 6:4, 6:4, 4:2 und 40:15 bei eigenem Aufschlag. Irgendwie gelang mir das Break – und ich gewann die folgenden Sätze und damit das Match.
Als Belohnung durfte ich im Louis Armstrong Stadium unter Flutlicht gegen den damaligen Weltranglistenersten Pete Sampras spielen – ein ganz besonderes Erlebnis. Ich verlor zwar mit 5:7, 4:6, 3:6, konnte mich aber gut verkaufen.
Was waren deine größten sportlichen Erfolge?
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ATP-Tour-Titel im Einzel: Seoul und Guarujá
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ATP-Tour-Titel im Doppel: Båstad und Tel Aviv
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Runde Wimbledon, 2. Runde US Open und Australian Open
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Diverse Siege auf der Challenger-Tour im Einzel und Doppel
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Viermal Deutscher Mannschaftsmeister mit BW Neuss
Was war dein höchstes nationales und internationales Ranking?
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ATP-Ranking Einzel: 74
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ATP-Ranking Doppel: 64
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Deutsches Ranking: 5
Wann hast du mit dem Tennis begonnen?
Das kann ich gar nicht mehr genau sagen – vielleicht mit fünf oder sechs. Meine Eltern waren regelmäßig im Tennisclub Radolfzell, und ich habe einfach angefangen, an der Ballwand zu spielen. Die stand direkt neben dem Trainerplatz. Nach einiger Zeit überzeugte der Trainer meine Eltern, dass ich Training bekommen sollte.
Wie viel hast du damals trainiert, um deine Ziele zu erreichen? Wie sah dein Tagesablauf während der Schulzeit aus?
Mit 13 bin ich ins Internat nach Heidelberg gegangen, um täglich in Leimen zu trainieren. Dort habe ich montags bis freitags jeweils drei Stunden mit Boris Becker, Udo Riglewski und Gerald Marzenell trainiert. Auch Steffi Graf trainierte damals dort.
Es war eine recht harte Zeit: Ich bin morgens um 7:30 Uhr los, um mit Bus und Bahn zur Schule zu kommen. Unterricht bis 14:00 Uhr, ein kleiner Snack in der Schulkantine, dann weiter mit der Bahn nach Leimen und dort Training von 15:00 bis 18:00 Uhr. Rückfahrt mit Bus und Bahn – zurück im Internat gegen 19:30 Uhr. Dann Abendessen, Hausaufgaben, schlafen.
Welche Vereinsstationen hattest du in Deutschland?
TC Radolfzell, Heidelberger TC, SG Heidelberg, Amberg am Schanzel, Bamberger TC, BW Neuss, OTHC Oberhausen, BW Dinslaken
Es spielen wieder viele Kinder und Jugendliche Tennis. Was fehlt ihnen deiner Meinung nach, um international erfolgreich zu werden?
Das ist wirklich schwer zu sagen. Ich glaube, vielen fällt der Übergang vom Jugend- zum Erwachsenentennis schwer. In vielen Verbänden endet die Förderung nach der Juniorenzeit. Verbandstrainer sehen ihre Spieler meist nur ein- bis zweimal pro Woche – so ist es schwierig, sie wirklich weiterzuentwickeln.
Wenn die Spieler dann 18 sind, müssen sie plötzlich alleine klarkommen. Zudem werden Verbandstrainer oft nur nach kurzfristigen Erfolgen bei Deutschen Meisterschaften beurteilt – und nicht danach, wie gut sie Spieler langfristig entwickeln. Deshalb werden meist Kinder gefördert, die aktuell körperlich überlegen sind und dadurch gewinnen – nicht unbedingt die, die talentierter sind, aber körperlich (noch) im Nachteil.
Was machst du heute? Arbeitest du als Trainer?
Ja, ich arbeite seit vielen Jahren als Trainer – derzeit bei der TG Lörick.
Worauf legst du bei deinen Schülern besonders Wert im Training?
Ich lege großen Wert auf eine saubere und verlässliche Technik. Sie ist die zwingende Voraussetzung, um diesen Sport vernünftig ausüben zu können – unabhängig vom Leistungsniveau. In Verbindung mit der Technik achte ich besonders auf eine gute Beinarbeit: zum Ball hin und zurück in die sogenannte Recovery-Position.
Als ehemaliger Serve-and-Volley-Spieler baue ich außerdem viele Übungen zum Übergang ans Netz ins Training ein – eine Art Ausbildung zum Allround-Spieler mit möglichst vielen Optionen.
Steckbrief Patrick Baur
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Geboren: 03.05.1965
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Geburtsort: Radolfzell/Bodensee
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Wohnort: Düsseldorf
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Lebensmotto: Du kannst dir alles erarbeiten
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1. Profijahr: 1986
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Racket: HEAD
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Bekleidung: HEAD
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Spielhand: Rechts
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Preisgeld: 709.282 US-Dollar